Die folgenden Gedankenexperimente haben keinen Anspruch an Vollständigkeit, sondern verstehen sich als Einladung zum Mittrainieren, sie dienen zum Warmlaufen.

Bei verbotenen Gedanken handelt es sich nicht um bloße Spitzfindigkeiten oder luxurierende Haarspaltereien, sondern mit ihnen verletzt man Tabus und provoziert man lebensgefährliche Aggressionen. Diese Übungen sind Erschütterungsexperimente, bei denen es einem wie Eulenspiegel ergehen kann, der nach jedem seiner „lustigen Streiche“ schleunigst das Weite suchen mußte.

Wenn gesagt wurde, daß sich das, was bei einer Psychoanalyse zur Sprache kommt, als Schatz begreifen läßt, daß das, was Patient und Analytiker zutage fördern, dem gleicht, was sich in  Geheimverstecken oder Hosentaschen eines Kindes befindet, in dem dieses seine Fundstücke aufbewahrt, die kleinen schmuddeligen Dinge, die es aufgelesen hat: ein Stück Bindfaden, tote Regenwürmer, eine Murmel, ein Schnipsel Silberpapier, den entstellten Vers eines Schüttelreimes, ein paar schmutzige Wörter, wertlos gewordene Münzen..., dann mag dies auch hier der Fall sein. Aber auch der andere Vergleich jenes Schatzes mit der Büchse der Pandora mag zutreffen. Unterhalb der geschlossenen Oberfläche des alle Risse verkleisternden Konsens-Bewußtseins wird ein Wissen sichtbar, von dem wir mit guten Gründen nichts wissen wollen. Das Band, das ich zwischen mir und dem Leser knüpfe, ist ein Sprechen, das unauflöslich mit dem Schweigen verbunden ist, mit dem zugleich der Rand des Unsagbaren berührt wird. Aus dem unbewußten Wissen der Gesellschaft, indem es sich hören läßt, wird dabei ein Wissen vom Unbewußten der Gesellschaft.

Das Ungeordnete der folgenden Artikel, das Chaotische der Gedankengänge ist der Natur der Sache geschuldet. Auf die vorwitzige Frage, wie uns etwas Unbewußtes überhaupt bewußt werden könne, da doch die unbewußte Vorstellung grundsätzlich nicht bewußtseinsfähig sei, antwortete Freud: Die Rede des Patienten vermag im Vorbewußten „nur eine Wirkung zu äußern, indem sie sich mit einer harmlosen, dem Vorbewußten bereits angehörigen Vorstellung in Verbindung setzt, auf sie ihre Intensität überträgt und sich durch sie decken läßt.“ Was übertragen wird, ist nicht das Unbewußte selbst, sondern es sind dessen Wirkungen in der Rede. Wir haben es mit den Effekten des Unbewußten zu tun. Um diese Effekte zu stimulieren, bedarf es der freien Assoziation. „Ihre Erzählung soll sich doch in einem Punkte von einer gewöhnlichen Konversation unterscheiden. Während Sie sonst mit Recht versuchen, in ihrer Darstellung den roten Faden des Zusammenhangs festzuhalten und alle störenden Einfälle und Nebengedanken abweisen, um nicht, wie man sagt, aus dem Hundertsten ins Tausendste zu kommen, sollen Sie hier anders vorgehen. Sie werden beobachten, daß Ihnen während Ihrer Erzählung verschiedene Gedanken kommen, welche sie mit gewissen kritischen Einwendungen zurückweisen möchten. Sie werden versucht sein, sich zu sagen: Dies oder jenes gehört nicht hierher, oder es ist ganz unwichtig, oder es ist unsinnig, man braucht es darum nicht zu sagen. Geben Sie dieser Kritik niemals nach und sagen Sie es trotzdem, ja gerade darum, weil Sie eine Abneigung dagegen verspüren.“ Diese Selbstkritik ist die unbewußte psychische Zensur, die es auszutricksen gilt. „Sagen sie also alles, was Ihnen durch den Sinn geht. Benehmen sie sich so, wie z.B. ein Reisender, der am Fensterplatz des Eisenbahnwagens sitzt und dem im Inneren Untergebrachten beschreibt, wie sich vor seinen Blicken die Aussicht verändert.“

Was unterscheidet den Schatzsucher in diesem Verstande vom Beichtvater? Aufrichtigkeit: „Wir wollen von ihm nicht nur hören, was er weiß und vor anderen verbirgt, sondern er soll uns auch erzählen, was er nicht weiß“. „Er soll uns nicht nur mitteilen, was er absichtlich und gern sagt, was ihm wie in der Beichte Erleichterung bringt, sondern auch alles andere, was ihm in den Sinn kommt, auch wenn es ihm unangenehm zu sagen ist, auch wenn es ihm unwichtig oder gar unsinnig erscheint. Gelingt es ihm, nach dieser Anweisung seine Selbstkritik auszuschalten, so liefert er uns eine Fülle von Material, Gedanken, Einfällen, Erinnerungen, die bereits unter dem Einfluß des Unbewußten stehen“. In diesem Sinne mögen die hier gezeigten Einträge zum fröhlichen Mitmachen ermutigen.


Abb. Jean-Jacques Lequeu