Stadt
Die neue Stadt möchte nicht mehr wie eine soziale Reparaturwerkstatt aussehen (Berlin Marzahn), auch nicht mehr wie eine Maschine (Hamburg City-Nord), und möchte nicht einmal mehr an diese Jugendsünden erinnert werden, sondern will wie ein gut gehendes Unternehmen anerkannt sein. Das Zwanziger-Jahre-Modell der im Takt arbeitenden Rädchen, des in Funktionen zerlegten und wieder zusammengeschraubten künstlichen Organismus der Stadt ist ebenso aus der Mode, wie das Modell der Verteilungsgerechtigkeit und Chancengleichheit zu Lasten der Wirtschaft und der gutverdienenden Leistungsträger, die sich einer immer größeren Zahl von Nicht-Arbeitenden und Schmarotzern gegenübersehen, abgeschmackt erscheint. Freilich ist man im selben Moment schon dabei, den spröden, ungeschminkt-herben Charme der Arbeitersiedlungen und der Trabantenstädte wiederzuentdecken. Wie Rem Koolhaas über das Bijlmermeer schrieb, bieten sie „Langeweile auf heroischem Niveau“. Sie haben, da sie verschont blieben von den Exzessen der Sensibilität und der Überdosis guter Absichten, das Element des Abenteuers noch nicht eingebüßt, das mit der Modernität einherging. „We start to like non-fiction, because we live in fictitious times. We live in a time where fictitious sceneries are replacing reality without knowing the difference anymore.“ Wer heute Geschmack und genügend Geld hat, wohnt in einem Stil, den man treffend aber auch zynisch „zweite Moderne“ nennt.
Sonntag, 2. Januar 2011