von und zu Googleberg
Zu Guttenberg fand, nachdem er sich an einem der letzten Wochenenden mal Ruhe gegönnt und in seine Diss hineingelesen hat, offenbar das erste Mal überhaupt, mußte feststellen, daß er ziemlichen Blödsinn verzapft hat. Freilich nicht absichtlich. Damit düpiert er nicht nur seinen Doktorvater, er liefert er eine bemerkenswerte Variante der Rezeptionsästhetik, der zufolge ein Text sich erst im Kopf des Lesers vervollständigt: Mein Buch ist erst fertig, wenn ich es gelesen habe. Na gutt.
Das Bemerkenswerteste an dem Fall Guttenberg ist vielleicht der Umstand, daß seine Beliebtheit durch die Plagiatsvorwürfe augenscheinlich nicht gelitten hat, sondern eher noch gewachsen sein könnte. Der Chefredakteur der Bildzeitung schließt daraus, daß die einfachen Leute nicht so blöd sind, wie die Intellektuellen meinen. Die Erklärung dieser bizarren Reaktion könnte sein: Die Leute schützen sich gegen die narzißtische Kränkung, die darin bestünde, erkennen zu müssen, daß Politiker keine Macht mehr haben, sondern Hampelmänner der globalen Finanzwirtschaft sind, indem sie solchen Typen ihre Sympathie schenken, die den Eindruck erwecken, daß sie sich nicht kaufen lassen, weil sie es aufgrund ihres familiären Hintergrundes nicht nötig haben. Mehr denn je zählen Stilfragen, wie einer auftritt, ob er sich zu benehmen weiß. Die Zuschreibung von Eigenschaften wie Authentizität, Ehrlichkeit, Geradlinigkeit kompensiert die tatsächliche Machtlosigkeit der Politik. Dies ist die Stunde der Lackaffen und Abziehbilder. Gerhard Schröder wäre das erste Exemplar dieses neuen Typus des Politikers gewesen, wenn ihm nicht so sehr der Geruch des Aufsteigers von ganz unten, des Parvenüs angehaftet hätte.
Den Medien ihrerseits bleibt, weil sie zur Aufklärung der tatsächlichen Ohnmachtsverhältnisse der Politik nichts beitragen können, ohne sich selbst das Wasser abzugraben, und weil die Journalisten die Kompetenz für die Analyse nicht haben, als mit Häme auf Politiker einzuhauen, deren Image angekratzt ist, und Privates mit öffentlich Relevantem zu vermischen.
Berlusconi ist der Napoleon der neuen Politik-Welt. Sein Vorsprung rührt daher, daß er die Medien unter Kontrolle hat.
Wir hatten schon mal einen von dieser Sorte: Schatzmeister Leisler Kiep trug Züge des neuen Typus. Helmuth Kohl hat ihn mal gefragt: Warum tun Sie sich das an? Dann hat man ihn doch mit Schmiergeld im Koffer erwischt. Leiendecker, der schon manchen Politiker gestürzt hat und auch Kohl beinah geschafft hätte - den man sich dann aber auf einen Black-out hat herausreden lassen - ist sicher auf der Suche nach Guttenbergs Ghostwriter. Ob der sich meldet, hängt freilich davon ab, wer mehr zahlt. Die Bildzeitungsleser könnten das nötige Schmiergeld aufbringen, damit sie nicht erkennen müssen, daß für Schulen in 6 Jahren keine 100.000 Euro übrig sind, für Banker aber sofort Milliarden da sind. An Guttenbergs Stelle würde ich schon deshalb zurücktreten, weil er sich Frau Merkel auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, wenn er sich von ihr helfen läßt.
Samstag, 26. Februar 2011