not amused
Der Lachdiskurs des Humanismus unterschied mehrere Arten des Lachens: das milde amüsierte wissende Lächeln , das Lachen in Gemeinschaft, bei dem alle mitlachen, auch der, der zum Lachen Anlaß gab, und das gehässige und ausschließende, vernichtende Lachen über einen anderen. Dante verstand das gute Lachen als „ein wetterleuchtendes Aufblitzen der Seelenfreude, ein Aufzucken des Lichtes nach draußen, so wie es innen strahlt.“ Lachen als Aufscheinen der göttlichen Allwissenheit, der alles Menschliche zur Komödie wird, die Fehler, Laster und Bösartigkeiten eingeschlossen. Da ist es kein Wunder, daß die Häufigkeit, mit der auf dem Weg durch die Hölle gelacht wird, auf dem Weg ins Paradiso zum Ende hin deutlich zunimmt. Dantes Ideal ist der moderate Affekt, ein Lachen, das der allegrezza moderata entspricht, dem keine Körperlichkeit mehr anhaftet. In dieser seiner gemäßigten Form ist das Lachen eine Tugend. Es steht im Kontrast zum lauten Lachen, das dem Gackern eines Huhns gleicht. Bei Bocaccio, der das Lachen aus dem Korsett des Erhabenen und der aristokratischen Verhaltenslehre befreite und mit klar beschriebenen Funktionen in der zwischenmenschlichen Kommunikation situierte, steht das gute Lachen eher im Gegensatz zum Auslachen, gemäß der Unterscheidung zwischen sorridere oder rallegarsi und schernendo oder farsi beffi, was soviel heißt wie derbe Späße machen. In diesem Zusammenhang ist vielleicht erwähnenswert, daß Sancho Pansa nie über seinen Freund Don Quijote lachte und auch dieser nicht über Sancho Pansa, ohne daß dies ihnen als Humorlosigkeit abgekreidet werden könnte.
Im aufgewühlten Fahrwasser der Neurophysiologie erfährt das Lachen neue Aufmerksamkeit. Daniel Dennet verspricht Antwort auf die Frage: warum lachen wir? Er leitet das Lachen ab aus einer permanenten Überforderung unseres Verstandes und einem als biologische Antwort hierauf evolutionär entwickelten Belohnungsreiz. Für ihn ist das menschliche Gehirn eine unausweichlich Fehler machende Rechenmaschine, die, damit wir überleben, ständig Annahmen darüber treffen muß, was als nächstes geschehen und wie es weitergehen wird. Obwohl das Gehirn nie genug Informationen und nie ausreichend Zeit hat, sein Wissen auf Eignung zu prüfen, muß es trotzdem ad hoc ein Modell der Wirklichkeit entwerfen. Fährt das Auto an mir vorbei, oder muß ich ausweichen? Klopft mir der Typ auf die Schulter, oder will er mich verprügeln? Die Beantwortung solcher Fragen duldet keinen Aufschub. Wegen der Beschränktheit des Gehirns kann man sich irren. Wenn etwas schiefgeht, wird dies dank unserer Humorfähigkeit zum Lachreiz. Für Dennet ist es dabei unerheblich, wem etwas schiefgeht. Mit dem Lachen belohnt sich das Gehirn für die undankbare Aufgabe der nie ausreichend gründlichen Fehlervermeidung. Es sei „die Karotte vor der Nase der permanent fehlersuchenden Vernunft.“ Es motiviert, trotz der mangelnden Nachhaltigkeit nach Irrtümern im Denken zu fahnden. Wenn wir einander Witze erzählen, simulieren wir diese Tätigkeit, indem wir absichtlich Fehler produzieren, die wir lustvoll korrigieren. Besser wäre wohl zusagen: die wir lachend sich offenbaren lassen, wobei die Korrektur, die nötig gewesen wäre, als verpaßte sichtbar wird. Dennet feiert Lachen als kollektive Lust am Scheiternkönnen.
Wenn das Gehirn auf Fragen wie diese: Bin ich wach oder träume ich? Ist was ich sehe, meinem Kopf entsprungen, oder ist das wirklich? nur unter dem Vorbehalt antworten kann, daß es dies nicht zweifelsfrei und abschließend beantworten kann, wenn es also nur eine hypothetische Antwort zu geben vermag, dann ist es in der Situation eines Don Quijote. Wir aber lachen über ihn, weil er den Unterschied zwischen Sein und Schein, Wirklichkeit und Einbildung, Wahrnehmung und Phantasie nicht zu kennen scheint, und wir lachen aufgrund der Überzeugung, daß wir selber das könnten, und das Lachen bestärkt uns zugleich in dieser Überzeugung oder begründet sie überhaupt erst. Hierbei wird das Lachen zu etwas, das Normalität konstituiert, als etwas, das sich von Krankheit unterscheidet und mithilfe dessen ich mich meiner Normalität versichere. Die Lektüre des „Don Quijote“ belehrt uns aber darüber, daß wir nie sicher sein können, auf der richtigen Seite zu sehen. Er warnt uns davor, zu früh gelacht zu haben.
Daniel Dennet, Inside Jokes. Using Humor to Reverse-Engineer the Mind. MIT Press 2012. vgl. die Rezension in Besprechung in der FAZ vom 23.4.12
Dienstag, 24. April 2012