Die kluge Else

 

Sie wird in den Keller geschickt, um etwas heraufzuholen. Es gelingt ihr beim Bierzapfen, den Boden zu überschwemmen und Magd, Knecht, Mutter, Vater und Bräutigam Hans in den Keller zu locken, wo sie eine Vision hat, die sie lähmt. Sie hatte an der Kellerdecke eine Kreuzhacke entdeckt, welche die Maurer dort vergessen hatten, und sich vorgestellt, was wäre, wenn sie Hans heiratete, sie ein Kind bekämen, dieses in den Keller zum Bierholen schickte, ihm die Hacke auf den Kopf fiele und es getötet würde? Sie begann herzzerreißend zu weinen. Hans beschloß daraufhin, sie zur Frau zu nehmen. Ihre Tränen verfehlten nicht ihr Ziel.

Aber damit ist die Geschichte nicht zuende. Als sich Else, statt Korn zu schneiden, einen Topf Brei löffelt, und in einen Mittagsschlaf versinkt, wickelt sie ihr Mann, der sie wieder loswerden will, in ein Vogelnetz mit Glöckchen. Deren Klingeln erschrickt sie beim Aufwachen so sehr, daß sie an ihrer Identität zu zweifeln beginnt. Sie rennt kopflos nach Hause, klopft ans Fenster und fragt, ob die Else schon daheim sei. Als Hans dies bejaht, und ihr auch sonst niemand im Dorf öffnet, läuft sie fort und ward nie mehr gesehen.

Vladimir Propp zufolge beginnt das Märchen mit einem Defekt, der im Verlauf der Erzählung zwar behoben wird - das späte Mädchen leidet an der Ehelosigkeit und gleicht diesen Mangel durch eine Heirat aus - aber die Behebung des Mangels ist nicht wirklich eine Beseitigung, sondern eher eine Kompensation, die ihren Preis hat, der früher oder später eingefordert wird.

 

Donnerstag, 30. Dezember 2010

 
 
Erstellt auf einem Mac

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