Leistungsgesellschaft
Leistungsgesellschaft heißt nicht, daß nach Leistung gewertet und honoriert wird, sondern daß diejenigen, die extrem viel haben, es für verdient halten, und daß diese glauben, die Armen hätten ihre Armut und Machtlosigkeit ebenfalls verdient. Kontingentes und gesellschaftlich Produziertes wird in ein Resultat der „Leistung“ des Einzelnen umgewandelt, auf eine weise, auf die alle hereinfallen, vermutlich weil dies leichter zu denken ist und immer das Recht behält, was am leichtesten zu denken ist.
Man verweist immer dann auf die Leistungsgesellschaft und ihre globale Durchsetzung, wenn es darum geht, eigenen Wohlstand gegen benachbarte Armut zu verteidigen und zu legitimieren. Und immer dann wird ihre mangelnde Durchsetzung beklagt, wenn man einräumen muß, daß einige Arme für unverdient gehaltene Geschenke vom Staat bekommen, für die schließlich der Steuerzahler aufkommen müsse. So sagt man, Leistung müsse sich wieder lohnen, wenn es darum geht, den Sozialstaat „gesund“ zu schrumpfen. Man sagt dann, die Leistungsträger können nicht auf Dauer derart belastet werden.
Das tatsächliche Ausmaß der Perversion zeigt sich, wenn die aberwitzige Belohnung von Topmanagern und Vorständen von mit Steuergeldern gestützten Banken für ihre Unfähigkeit und ihre beispiellose kriminelle Energie für ebenso verdient gehalten wird, wie die Niederlage eines ohne Abfindung entlassenen Angestellten, der dreißig Cent „unterschlagen“ und damit das Vertrauensverhältnis zwischen Chef und Angestellten irreparabel zerstört haben soll. Der Begriff „Leistung“ ist der Deckname einer epidemischen Krankheit, einer kollektiven Korruption oder Verrottung.
Samstag, 1. Januar 2011