Schlaf

 

Der Schlaf ist das letzte Refugium eines Sozialwesens Mensch, das noch nicht von der Steigerung der Individualisierung und der Maschinisierung des Intellekts annektiert wurde und dem Menschen als sein Ureigenstes geblieben ist. Gottfried Benn unkte, daß auch dieses allerletzte Refugium nicht lange verschont bleiben werde. “Ich denke manchmal, aus Sicht eines Auszugs aus dem Parterre aus der Welt bewußseinsfremder Tatsachen wird die Zeit kommen, da Schlafen die Menschen nicht mehr. Denn das ist doch das Letzte aus der anderen, der stumm getriebenen Welt: eine Negation des Intellekts, ein Überzug über die Großhirnrinde, ein Zurückgebrachtwerden an die niederen Zentren, an das  Reflektorische, an alles das, was nicht zum Bewußtsein gesteigert werden kann. Alles andere haben wir ja schon verlassen. Dies Letzte wird auch verlassen werden.” (Unter der Großhirnrinde; Rönne-Novellen)

Benn betonte, es sei ein Irrtum, daß es eine Brücke zwischen dem Gehirn und dem Bewußtsein gebe. Man bedenke nur die geistesabwesende Bewegung der Hände. In seinen Texten bekennt sich Benn zur Feindschaft gegenüber jener Generation von Naturforschern “die uns Heutige verschuldet haben durch den Glauben, etwas für seine Erkenntnis zu tun, wenn er die Bedingungen feststellt, unter denen ein paar Tierglieder zucken und ein paar Hundenerven degenerieren.” Benn sieht in der wissenschaftsgeschichtlichen Entwicklung etwas, das sich mit der Selbsterfahrung des Individuums nicht in Übereinstimmung bringen läßt. Bewußtsein ist nicht einmal eine bloße Begleiterscheinung des Gehirns. Psychische Zustände sind ganz verschieden von physiologischen Reizen, Gefühle von Empfindungen. “Das Gehirn ist ein Irrweg. Ein Bluff für den Mittelstand” (Ithaka)

 

Sonntag, 2. Januar 2011

 
 
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