Verschwörung
Wer sich für normal hält und sich berufen fühlt, die Normalität zu verteidigen, hält sich etwas darauf zugute, nicht an Verschwörungen zu glauben. Zuweilen fühlt man sich freilich so, daß man bestimmte Sätze André Bretons in seinem Roman „Nadja“ auf sich beziehen möchte. Er nennt seine Geschichte eine, die ihn „von der absoluten Schicksalhaftigkeit überzeugt, und von der Vergeblichkeit, für meine eigene Person ein Entkommen zu suchen“. Seine Heldin wird zum Objekt all der Zumutungen, die uns in einer der schicksalhaften Anordnungen festbannen, die zuweilen um einen sind. Selten hat jemand, der sich in einer solchen Lage befindet, das Glück, ohne „die möglicherweise schädliche Gemeinschaft“ einer Klinik ertragen zu müssen, und stattdessen „zu günstiger Zeit von Freunden gestärkt, in seinem Geschmack nach Möglichkeit zufriedengestellt und unmerklich zu einem annehmbaren Sinn für die Wirklichkeit zurückgeführt“ zu werden, „wobei man ihn nicht verletzte und sich die Mühe nicht sparte, ihn selbst zum Ursprung seiner Verwirrung zurückzufinden zu lassen“. Dabei hatte sie es sich lediglich „einfallen lassen, von der „dummen Regel des gesunden Hausverstandes und der guten Sitten abzuweichen“. Dergleichen kann einem jeden widerfahren, der „in den dunklen Kern der Liebe eindringt, vom Widerschein brennender Unersättlichkeit umgeben“, wenn es sich um eine Liebe handelt, „die aus den sorgsam angehäuften zivilisatorischen Bändigungsversuchen ausbricht, sich von den geheiligten Normen entfernt, sie mißachtet...“ Um in eine Verschwörung zu geraten, muß man noch nicht einmal selber etwas dazu getan haben. In Hitchcocks „North by Northwest“ wird ein Mann aufgrund einer dummen Verwechslung für einen Agenten gehalten und gejagt, den ein Geheimdienst lediglich erfunden hatte, um die Gegenseite zu narren. Er entkommt immer wieder nur knapp der Ermordung durch die Agenten mehrerer anderer Geheimdienste.
Sonntag, 2. Januar 2011