das Paradox der Unterschrift
Meine Unterschrift ist echt, wenn sie nicht von jemand anders nachgeahmt wurde. Ihre Echtheit beruht auf ihrer Einmaligkeit. Aber ich selber muß mich an die Wiedererkennbarkeit halten. Meine Unterschrift muß von mir selber immer wieder und jedesmal neu nachgeahmt werden. Ich darf dabei keinen Fehler machen. Selbst ein von mir mit meiner Unterschrift verbriefter Fehler, eine Fehlfarbe, würde mir zum Verhängnis. Ich darf gegen die Echtheit meiner eigenen Unterschrift nicht verstoßen, darf nicht plötzlich anders unterschreiben. Ich muß mich peinlich korrekt kopieren und muß diese Kopierfähigkeit meiner selbst üben. Ich beweise mit meiner Unterschrift also, daß ich sie zu fälschen vermöchte, daß ich also ein anderer bin als ich selbst. Das unheimliche Gefühl, einem begründeten Verdacht entgegenzutreten zu müssen, mich der Gefahr des Erkanntwerdens als Betrüger auszusetzen, begleitet mich bei jeder Unterschrift.
Sonntag, 2. Januar 2011