Wohnen
Attraktives Wohnen ist an gutes Einkommen geknüpft. Es ist daher zugleich Werbung, Reklame, Propaganda ihrer selbst. Gutes Wohnen ist unbezahlte Arbeit, wie das Konsumieren auch unbezahlte Arbeit ist. Wer gut wohnt, macht die Arbeit von Architekten und Produktdesignern sowie die Arbeit derer, die mit Grundstücken und Immobilien handeln, die Darlehen, Einrichtungsgegenstände oder Lifestyleprodukte verkaufen wollen. Und diese Arbeit ist nicht nur unbezahlt, sie bringt nicht nur nichts ein, sie kostet Geld.
Bei Thorstein Veblen hieß diese Art des Konsums conspicious consumtion. Mit dem Unterschied allerdings, daß sie für Veblen ein schlechtes Vorbild darstellte, dem er pädagogisch wertvolle Zurückhaltung gegenüberstellte. Veblen verglich demonstrativen Konsum mit dem Verhalten von Frauen, die mit langen Fingernägeln demonstrieren, daß sie es nicht nötig haben zu arbeiten. Heute indessen versteht sich aufwendiges Wohnen indessen als erzieherisches Vorbild. Indem ich gut wohne, erziehe die anderen zu mehr Eigenverantwortung für ihr eigenes Leben, indem ich sie dazu motiviere, viel Geld verdienen zu wollen und damit andere noch reicher zu machen. Städtebau dient nicht mehr dazu, ausreichend Wohnraum zu bezahlbaren Preisen für jederman bereitzustellen und der Wohnungsnot abzuhelfen, sondern er ist Teil der Propaganda für das richtige Leben, und das ist das Leben der kaufkräftigen Bürger, während die pekuniär klammen Leute in ihr nichts mehr zu suchen haben und sehen sollen, wo sie bleiben. Er hat das Ziel, das Normale gegen die perversen Sympathien für die Schwachen zu stärken, der Allgemeinheit Sympathien für Exklusionsprozesse abzujagen, die Abweichler zu isolieren, ihren Theorien den schmuddeligen Boden zu entziehen. Dies tut er nicht mit Argumenten, sondern als eine Art life-Theater oder „Living Theater“, in dem die Bewohner hinter immer größeren Glasscheiben öffentlich wohnen, indem sie ihr Wohnen aufführen: by performing living.
Montag, 3. Januar 2011