es wird eng
Die Hilflosigkeit der Politik, die Tatenlosigkeit der Justiz angesichts der großmaßstäblichen Kriminalität der Banken, die kranke Ruhe der Bevölkerung angesichts ihrer Ausplünderung, die gespenstische Stille an den Universitäten angesichts ihrer Abschaffung, sind beispiellos. Daß man der Austrocknung der Geisteswissenschaften tatenlos zusieht, die Verschulung des Studiums mit vorgeschriebenen Stundenplänen und über das Weiterstudieren-Dürfen entscheidenden Klausuren bereits im ersten Semester hinnimmt, das lächerliche Getue mit sogenannten Exzellenzclustern mitspielt, all das stinkt zum Himmel. Woher kommt die hysterische Bedenkenlosigkeit, mit der Männer der Vergewaltigung verdächtigt werden – wie Assange oder Kachelmann – wie ist es möglich, daß kirchliche Würdenträger und linke Privatschullehrer in einen Topf geworden werden - den 68ern wird eine sonderbare Allianz mit der katholischen Kirche aufgenötigt. Kaum jemand wagt mehr, den Mund aufzumachen und seiner Verwunderung Ausdruck zu geben oder seiner Wut freien Lauf zu lassen, weil jederman, der sich einmal laut empört hat, inzwischen weiß, wie schnell man von den Umstehenden vom Geschädigten und Sich-Beschwerenden zum Störenfried und Täter abgestempelt wird. Jeder, der einmal seinen Kopf zum Denken benutzt hat, weiß, wie schnell man heute für verrückt erklärt wird.
Manche ballen die Faust heimlich in der Tasche. Das Bewußtsein der Differenz zum Status-quo, die Fähigkeit, eine Differenz und eine Alternative zu denken, sind allerdings dabei, unwiederbringlich verloren zu gehen. Etwas Derartiges zu konstatieren, verletzt mittlerweile ein Tabu. Wie müßte man dieses Tabu nennen? Für die wenigen, die noch nicht im bedingungslosen Gehorsam gegenüber dem Apparat aufgehen, die ihre Gehirne noch nicht mit der totalen Affirmation verkleistert haben, ist es gefährlich eng geworden.
Samstag, 8. Januar 2011