Kapitalismus ff.
Der Kapitalismus ist die heutige Ausprägung eines Kultes, der bei den Azteken die Form eines Gewaltkultes hatte. Wenn sich die Gewaltproduktion dort im Auftürmen von Totenschädeln auf Pyramiden manifestierte, so tut er es heute in Form der Verherrlichung des Profits und der Rekordjagd auf den Finanzmärkten. Spekulative Geldsummen wie Schädelberge vermitteln ein Gefühl von Wachstum. Investmentbanker vertreten auf globaler Ebene die vakant gewordene Stelle der Volksgötter. Das reale wie das virtuelle Geld ist das Manna unserer Zeit, die Machtsubstanz, die vom Getöteten auf den Sieger überspringt. Das Kapital ist die heutige Erscheinungsform des Prinzips Kanibalismus. Dieser Gedanke findet sich bei Byun Chul Han, Topologie der Gewalt (bei Matthes & Seitz)
Walter Benjamin wagt in seinem Fragment „Kapitalismus als Religion“ eine ähnlich kühne These, die auf ähnliche Weise das Gefühl gibt, „an einer besonders tiefsinnigen Demaskierung teilzuhaben“ (Alexander Grau), nämlich daß Kapitalismus ein Kult sei. Wo traditionelle Kulte aber den Einzelnen entschulden sollen, lädt er Kapitalismus Schuld auf die Menschen, läßt sie sich verschulden.
(vgl. den Bericht über eine Tagung unter dem Titel „Geld, Finanzen und Religion...“ an der Uni Basel in der FAZ 9.11.11)
Montag, 31. Oktober 2011