Maschine

 

Spricht nicht nach allem, was wir jüngst erlebt haben, vieles dafür, daß das, wir Kapitalismus nennen, eine Maschine ist? U.z. eine Maschine, bei der wir nicht am Steuerpult sitzen, die wir nicht bedienen und für unsere Zwecke einsetzen, sondern eine, die uns Menschen und den Staat einbegreift, die sich unserer Fähigkeiten und Motive bedient. Während wir glauben, wir hätten alles im Griff, sind wir nur ein Bauteil dieser Maschine und wir wissen nicht einmal, welches. Daß wir irrtümlich glauben, wir säßen am Steuerknüppel, daß wir dem Wahn erliegen, die Maschine arbeite für uns, das macht uns erst fähig, als Bauteil zu fungieren.

Wie haben wir uns diese Maschine vorzustellen? Bewegt sie sich wie Ron Herrons insektenpuppenartige und spinnenbeinige Meta-Städte um den Erdball und atmet in Form von Boom- und Crash-phasen? Die Welt wird als Roh- und Treibstoff konsumiert und als Pest wieder ausgeschieden. Wir sind angeschlossen als Arbeiter, Unternehmer, Beamte, Sparer, Konsumenten, Spekulanten. Käufer, Verkäufer, Politiker, Wahnsinnige. Die Staaten fungieren als Treibriemen vermittels ihrer politischen Ressorts, Ambitionen und Ideologien. Ist sie wie die Junggesellenmaschinen, wie das „Große Glas” von Duchamp oder die Schreibmaschine in Kafkas “Strafkolonie”, eine, die durch einen Zeichner die Botschaft von oben nach unten weitergibt, das Urteil in den Rücken des Verurteilten eingraviert mittels der Egge, wobei die Inschriften nie ihren Zweck verfehlen? Drei Modelle konkurrieren miteinander. Lacan geht (…) bei der Analyse der psychischen Funktionen von dem Maschinenmodell aus, wenn er ausführt, daß, auch wenn alle Menschen von der Erde verschwunden seien, noch imaginäre Bilder in Spiegeln existieren. „ Eine materialistische Definition des Bewußtseins liefert daher eine Bewußtseinsmaschine des Imaginären, die immer dann zustandekommt, wenn „eine Oberfläche gegeben ist dergestalt, daß sie das produzieren kann, was man ein Bild nennt".” Deleuze und Guattari verdichten in „Anti-Ödipus” in Abgrenzung zu Lacan die Vorstellung eines produktiv gedachten maschinellen Unbewußten zum Begriff der Wunschmaschine, eigentlich Begehrensmaschine (machine désirante). „Im überbordenden Maschinenvokabular des Anti-Œdipe wird alles zur Maschine: das Begehren, die Gesellschaft, die Sprache, der Körper, das Leben, die Wirtschaft, die Literatur, die Malerei, die Phantasie, die Schizophrenie, der Kapitalismus. Jean Baudrillard bemerkt in den 1980er Jahren: „Bin ich nun Mensch, oder bin ich Maschine? Es gibt heute keine Antwort mehr auf diese Frage: realiter und subjektiv bin ich Mensch, virtuell und praktisch bin ich Maschine.” Die globale zivilisatorische Megamaschine hat alle Menschen erfasst. Am digitalen Interface wird die simulierte Wirklichkeit zur virtuellen Realität, und die Menschen „frönen lieber dem Schauspiel des Denkens als dem Denken selber”.

 

Dienstag, 15. Februar 2011

 
 
Erstellt auf einem Mac

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