Ofen
Alle uns bekannten Methoden, Wärme oder Energie zu erzeugen, mit Ausnahme der Kernenergie, entsprechen unserer instinktmäßigen Ausstattung mit Denkmustern und Reflexen insofern, als wir, wenn ungewollte Nebenfolgen zu befürchten sind, aufhören, weiter Öl ins Feuer zu gießen und eventuell zusätzlich versuchen, das Feuer zu drosseln, indem wir die Sauerstoffzufuhr behindern. Die auf Atomspaltung basierende Energiegewinnung verstößt gegen dieses natürliche Reiz-Reaktions-Schema und verlangt von uns, genau das Gegenteil zu tun. Das Problem, daß sich im Unterschied zu allen anderen Energiequellen hier ergibt, besteht darin, daß wir das Brennen nicht durch Verringerung der Zufuhr von Brennmaterial und Sauerstoff vermindern oder stoppen können, da der Ofen nicht aufhört zu brennen, wenn die Zufuhr ausfällt, sondern im Gegenteil sein Brennen sich steigert und unkontrollierbare Ausmaße annimmt. Die Zufuhr produziert sich selbst und tendiert von selbst dazu, unkontrollierbar zu werden, wenn man sie nicht eigens beständig bremst. Man muß immer mit angezogener Handbremse fahren, weil man sonst zu schnell würde, weil man ständig einen steilen Berg hinunterfährt. Anders gesagt: Ein Kernreaktor ist wie ein Auto, dessen Gaspedal durchgedrückt arretiert ist und dessen Bremse seine Kraft von dem durchgedrückten Gaspedal erhält. Um das Brennen oder den Heizvorgang zu bremsen, braucht man laufend kühlendes Frischwasser, das nur mithilfe elektrischer Pumpen zugeführt werden kann. Man kann das Ausbrechen in die Unkontrollierbarkeit also nur verhindern, wenn die Stromzufuhr ständig gesichert ist. Ohne die Funktion der stromabhängigen Kühlung ist die Kernschmelze nicht aufzuhalten. Um das Kraftwerk unter Kontrolle zu halten, oder besser: es im Zustand der Kontrollierbarkeit zu halten, brauche ich ein Kraftwerk. Bei den ans Netz angeschlossenen Reaktoren ist das Kernkraftwerk dasselbe Kraftwerk, wie das, das zur Stromzufuhr benötigt wird. Damit entspricht der Atomreaktor dem Prinzip: die Geister, die ich rief, werd ich nicht wieder los. Einmal gerufen oder aktiviert, läßt sich das Brennen des Ofens für Millionen von Jahren nicht mehr stoppen. Über einen langen Zeitraum verbraucht sich die Strahlung auch nicht, sondern wird sie immer stärker und schmutziger. Wenn man das Kraftwerk außer Betrieb nehmen will oder es kaputt gegangen ist, brennt oder rast der Ofen trotzdem weiter. Seine Elemente müssen daher „entsorgt“ oder „endgelagert“ werden, in einem Raum, aus dem die nächsten hundert Millionen Jahre keine Stahlung nach außen dringt. Dieses Endlager ist bis heute nicht gefunden worden, und es ist fraglich, ob es sich überhaupt finden läßt.
Donnerstag, 17. März 2011