Kapitalismus und New York

 

Alles im Kapitalismus ist rational, außer der Kapitalismus selbst. Die Börse arbeitet rational, man kann den Warenmarkt wie den Finanzmarkt verstehen, man kann ihn studieren, die Kapitalisten wissen, an ihm teilzunehmen, sich seiner zu bedienen, ihn zu benutzen, und doch ist er vollkommen delirierend und verrückt. So könnte man sagen: Das Rationale ist immer die Rationalität von etwas Irrationalem. Man hat vielleicht bisher nicht gebührend berücksichtigt, daß es gerade dies war, was Marx am Kapitalismus faszinierte, daß das System dement ist und gleichwohl gut arbeitet. Was also ist rational in einer Gesellschaft, und was bedeutet rational in soziologischer und ökonomischer Hinsicht? Deleuze unterscheidet, um der Beantwortung dieser Frage näher zu kommen, zwischen Interessen und Wünschen.

Rational sind die Interessen im Rahmen der Strukturen der jeweiligen Gesellschaft, die Art und Weise, wie die Menschen ihre Interessen verfolge. Aber unterhalb dieser Interessen, unter der Oberfläche gibt es Wünsche, Investments in Wünsche, die man nicht mit den Investments aufgrund von Interessen verwechseln darf, und von denen diese Interessen abhängen: ein enormer Strom von allen möglichen Arten eines libidinösen Unbewußten, die das Delirium der Gesellschaft ausmachen. Die eigentliche, wahre Geschichte der Gesellschaft ist diese Geschichte der Wünsche. Sind Wünsche und Interesssen oder Delirium und Vernunft im Kapitalismus auf eine im Verhältnis zur vorherigen Menschheitsgeschichte vollkommen neue, speziell abnormale Weise verteilt? Rem Koolhaas beschrieb New York als eine als Delirium entstandene Stadt oder Welt, die sich den Plan nachträglich erfunden habe. als „retroaktives Manifest“, (Delirious New York)

Rem Koolhaas hat es in seinem Buch „Delirious New York“ gewagt, die Theorie des Deliriums von Deleuze und Guattari auf die Architekturgeschichte anzuwenden. Bauen geschieht als Delirium, ohne Plan und Absicht. Die Theorie wird stets nachgeliefert, als „retroaktives Manifest“. Das Subjekt der Architekturgeschichte erschafft sich immer erst nachträglich. Es eilt sich im Bauen stets selbst voraus, um sich so zu konstituieren, als Vorgriff auf sich selbst. Der Architekt ist die Verkörperung dieses sich selbst tätig vorgreifenden hysterischen und sich nachträglich als reflektierendes konstituierenden Subjekts.

Mittwoch, 9. März 2011

 
 
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