Weltbild

 

Fukushima offenbart „eine Weltsicht, in der es einen klaren Undenkbarkeitshorizont gibt, hinter dem die nukleare terra incognita beginnt: Der Reaktorkern kann einfach nicht schmelzen, die Kettenreaktion bleibt immer kontrollierbar.- Dazu dienen schließlich die vielen – noch bezahlbaren – Sicherheitsmaßnahmen. Hinter dem Undenkbarkeitshorizont wird nicht kartographiert. Die installierten Sicherheitsvorrichtungen dienen auch als Beruhigung, als Entschuldigung, die eigentliche Wahrheit nicht aussprechen zu müssen: Die mögliche Katastrophe bei einer Kernschmelze ist so groß, die betrifft so viele Leben und verseucht so viel Land, daß es keine ökonomische Risikoabwägung geben kann. Gegen Reaktorunfälle gibt es demzufolge keine marktgängige Versicherung. Nuklearschäden können nicht in Tarife einkalkuliert werden ... Seriöse Schätzungen für einen ... Reaktorunfall in Deutschland gehen von über fünftausend Milliarden Euro Schadenssumme aus.“ (Frank Rieger in der FAZ vom 12.4.11)

Wie das im Detail vor sich geht, kann man dem Artikel entnehmen: Damit Kernkraftwerke bezahlbar bleiben, muß auf technisch mögliche Sicherheitsvorrichtungen verzichtet werden. „die Risikobetrachtung richtet sich nach Investitions-Obergrenze“. Teure Katastrophenvarianten werden darum als „unwahrscheinliches Szenario“ wegdefiniert. Eine Abwägung wird jeweils zwischen Betreibern und Regulierern ausgefeilscht. Dabei spielen persönliche Abhängigkeiten und und Karrierechancen eine nicht unerhebliche Rolle. Prüforganisationen sind von den Strom-Oligarchen nicht unabhängig. Hinzukommt der Druck auf die politischen Parteien, die Versprechen von Fortschritt, Modernität, Energiesicherheit und Verringerung der Umweltbelastung zu erfüllen. Dank ihrer ungeheuren wirtschaftlichen Macht ist es Energiekonzernen möglich, Regierungen zu erpressen. Technische Vorschriften werden stets erst nach Unfällen korrigiert, etwa nach den sich häufenden Starfighter-Abstürzen war eine Betonkuppel vorgeschrieben, die jedoch längst nicht bei allen auch Kernkraftwerken errichtet wurde. „Die bekannt verwundbaren Reaktoren wurden Teil des Restrisikos“. Nachrüstung ist Sache der Auslegung. Wenn es doch geschieht, daß sich ein Reaktor, wie derzeit in Japan, außerhalb der vorgedachten Parameter bewegt, liegt eine „Auslegungsüberschreitung“ vor. Was in einem sich verflüssigenden Reaktor vor sich geht, kann man schlicht nicht wissen. Auch das, was man aufgrund bisheriger Unfälle wissen kann, findet keinen Eingang in die Handbücher für die Bedienungsmannschaften. Auch daß schon 200 Mrd Euro an direkten und indirekten Steuern in die deutsche Atomindustrie geflossen sind, wird gern verschwiegen.

Dienstag, 17. Mai 2011

 
 
Erstellt auf einem Mac

Weiter >

< Zurück