Skinhead

 

Zizek beschreibt, wie Sozialpsychologie angesichts einer Form der Gewalt zur zynischen Reflexion, zur Ideologie und selbst zu einer Form der Gewalt werden kann, weil deren Grundmaxime lautet, daß Delinquenten etwas tun, weil sie nicht wissen, was sie tun. Wenn das irrende Subjekt nur darüber nachdächte, was es da tut, würde es damit aufhören. Der Skinhead, der einen Ausländer zusammenschlägt, weiß indessen genau, was er tut, er tut es aber trotzdem. Er entschuldigt und legitimiert sein Tun mit der Erklärung, die er sich bei der Sozialpsychologie ausleiht. Untereinander reden sie sich ein, sie würden Ausländer hassen, weil diese den deutschen Jugendlichen die Arbeitsplätze und die Frauen wegnähmen. Tatsächlich ist es, so, daß der Skinhead sich einfach gut dabei fühlt, wenn er einen Ausländer zusammenschlägt. Der Grund ist, daß ihn einfach dessen Anwesenheit stört. Seine Gewalt ist sinnlose Gewalt, die auf keinerlei Nutzen abzielt und keine ideologischen Gründe hat. Die rein mechanische Gewalt ist motiviert als subjektiver Exzess, das willkürliche Ausleben von Launen. Die Begründung ist bloße Rationalisierung. Der Skinhead ist darüber hinaus begierig zu erfahren, worin die die Fachleute die Ursachen seines Handelns sehen. Er übernimmt deren Erklärungen gern, fast mit Stolz. Für ihn ist das Reflexion, die die Handlungen völlig unberührt läßt. Wenn einer von ihnen nach einer Begründung für seine Gewalttaten befragt würde und wenn er zur Reflexion fähig und soweit der Sprache mächtig wäre, so würde er wie ein Sozialarbeiter, Soziologe oder Sozialpsychologe reden, „seine beschränkten sozialen Aufstiegsmöglichkeiten anführen, die allgemeine Unsicherheit aufs Tableau bringen, den Verfall der väterlichen Autorität, den Mangel an Mutterliebe in seiner frühen Kindheit beklagen“. Mit einem ironischen Grinsen würde er die erstaunten Richter und Journalisten über die Ursachen, den Sinn seiner sinnlosen Gewalt aufklären. Er würde genau die psychosozialen Erklärungen liefern, „die den aufgeklärten Liberalen, die darauf erpicht sind, die gewalttätigen Jugendlichen als tragische Opfer der gesellschaftlichen Umstände und ihrer familiären Herkunft zu „verstehen“, so lieb und teuer sind.“ Der Multikulturfreund, der versessen darauf ist, Formen exzessiver Gewalt zu verstehen, erhält seine Botschaft pervertiert, aber darum in ihrer wahren Form zurück. Der intolerante Skinhead ist sich selber gegenüber tolerant. (S. Zizek, Die Tücke des Subjekts. S. 278f.)

 

Freitag, 22. Juli 2011

 
 
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