Einschlafen und Aufwachen
Wenn man Lärm oder das Geräusch eines Weckers in den Traum einbaut, um nicht aufwachen zu müssen, hat man den Eindruck, das Störereignis sei durch den gesamten Traum hindurch vorbereitet worden und habe sich schon lange vorher angekündigt, weshalb es auch kein plötzliches Ereignis sein könne, weshalb wir ruhig weiterschlafen können. Den Traum, der erst in dem Moment des Weckerklingelns oder Türläutens begonnen haben kann, erleben wir als etwas schon lange Dauerndes und das Störgeräusch als etwas mit langer Vergangenheit, eingebaut in eine Entwicklung von Ereignissen mit langem Vorlauf.
Wenn es nun mit der Geschichte sich auch so verhielte. Betrand Russel hat gesagt, daß die Vergangenheit nicht davor geschützt sei, daß die Welt erst vor fünf Minuten zu existieren begonnen hat. Es könnte doch sein, daß wir mitsamt unserer Erinnerung geboren werden und daß die Welt mitsamt ihrer Vergangenheit entstanden ist. Der Test, mit dem Tuning das menschliche Wesen zuverlässig von Replikanten unterscheiden wollte, beruht auf der Voraussetzung, daß echte Menschen eine je verschiedene Erinnerung und Kindheit besitzen, während Replikanten sich durch stereotype, eben programmierte Kindheitserinnerungen verraten.
Als Kind nahm ich mir immer vor, den Moment des Einschlafens zu erleben und nicht zu verpassen. Es ist mir, wen wundert’s, nie gelungen. Was ich allein festhalten konnte, ist das „Gleich schlafe ich ein“. Es wird abgelöst, von dem, „Irgendwann muß ich wohl eingeschlafen sein“. Der Zusammenbruch der Identität, den das Einschlafen bedeutet, weil wir in dem Moment alle Kontrolle des Ich aufgeben und uns fremden Mächten hingeben und überantworten müssen, muß etwas sein, das wir nicht bewußt erleben müssen dürfen.
Mittwoch, 6. Juli 2011