mörderischer sommer

 

„Ein mörderischer Sommer“, Film von Jean Becker nach dem Roman „L’été meurtrier“ von Sébastien Japrisot, Pseudonym von Jean-Baptiste Rossi, mit Isabelle Adjani.

Solange Eliane sich als Täter fühlen könnte, als jemand, der etwas unternimmt, der handelt, mit dem Vorsatz, die Vergewaltiger ihrer Mutter umzubringen oder genauer, von dem Mann, mit dem sie sich, wie sie meint, eigens zu diesem Zweck verheiratet hat, umbringen zu lassen, wofür sie auch ihre einstige Lehrerin einspannt, die ihr verfallen ist, kann sie sich über Wasser halten. Sie hat sonst keinen Boden unter den Füßen. Sie weiß nicht, was sie mit der Aufmerksamkeit, die sie erregt, der sexuellen Gier, die sie ihrer äußeren Erscheinung wegen entfacht, anfangen soll. Sie weiß nicht, was sie selber will, überhaupt wollen kann. Sie sieht sich ausnahmslos von allen begehrt und kann selber kein Begehren empfinden. Und sie kommt nicht damit zurecht, daß ihr Vater einer der drei Männer ist, die ihre Mutter vergewaltigt haben und dabei fast zu Tode gequält hätten, und daß der Ehemann ihrer Mutter damit leben muß, und auch nicht damit, daß sie einmal als junges Mädchen, als er ihr unter den Rock geguckt und sie auf den Hintern geküßt hat, als sie auf einer Leiter stand, in ihrer Panik mit einer Schaufel so auf den Kopf geschlagen hat, daß der seither gelähmt ist. Sie will, daß dieser Mann ihr Vater ist. Sie will nicht wissen müssen, daß er nicht ihr leiblicher Vater ist, und sie quält, daß er sie deckt, indem er behauptet, er sei von der Leiter gefallen. Und sie will, indem sie an seiner Stelle die Mutter rächt, auch er wieder froh sein kann. Mit diesem Plan zieht sie in ihr bodenloses Leben einen selbstgemachten Boden ein. Mit diesem Plan im Kopf kann sie sich der Blicke der Männer und des Neides und der Eifersucht der Frauen erwehren und sich in ihrer Koketterie überlegen dünken.

als ihr klar wird, daß ihr Ziehvater bereits die drei Männer, auf die es die Tochter abgesehen hat, kennt und herausgefunden hat, daß nicht sie es waren, die ihre Mutter vergewaltigt haben, sondern drei Saisonarbeiter, und daß er alle drei bereits umgebracht hat, bricht in ihr eine Welt zusammen. Das Problem ist nicht, daß unter den dreien ihr leiblicher Vater war, auch nicht, daß sie an der Lähmung ihres Ziehvaters schuld ist, sondern daß ihr nun auch der selbstgebastelte Boden unter den Füßen weggezogen ist. Sie regrediert auf den Stand eines neunjährigen Mädchens, das von all dem noch nichts wußte und ihren Ziehvater noch für ihren echten Vater hielt. Ihr Ehemann, der von psychopathologischen Erklärungen nichts wissen will, führt den Plan aus, für dessen Ausführung sie ihn bestimmt hatte und den sie ihn mit Hilfe der Lehrerin wissen läßt. Er erschießt die drei unschuldigen Männer, während sie in einer Klinik in völliger geistiger Abwesenheit vegetiert.

Elianes Strategie der Selbstkonstruktion im Modus des Ichzwangs nimmt Form an, als sie auf dem Heuboden, wo sie mit einem Jungen aus dem Dorf Sex hat, ein mechanisches Klavier entdeckt, das sie als das Klavier erkennt, das die Peiniger ihrer Mutter damals transportierten und hätten abliefern sollen, was dann an deren Stelle die drei anderen Männer besorgten. Die Strategie verlangt, daß sie diesen Jungen heiratet. Das Klavier entspricht der Garnspule im Märchen. Das Dorf wird zum Übergangsraum.

Bei Wikipedia heißt es wie üblich mit ausgekoppeltem Gehirn: Die Verstrickung in ein Verbrechen, dem sie ihr Leben verdankt, die angespannte Beziehung zu ihrer traumatisierten Mutter und ihrem gelähmten Stiefvater bringen Eliane um den Verstand. Sie wird in eine Heilanstalt eingeliefert. Pinpon besucht sie. Eliane fantasiert sich in ihre Kindheit zurück. Die Welt des Common-Sense, die eine Welt des Schwachsinns ist, glaubt, damit genug zu wissen.

 

Mittwoch, 6. Juli 2011

 
 
Erstellt auf einem Mac

Weiter >

< Zurück